Wie hoch der Promillewert für alkoholisierte Radfahrer sein darf, bevor strafrechtliche Konsequenzen drohen, ist in Deutschland streng reguliert. Doch wie verhält es sich für Radfahrer, die unter Einfluss der nun legalisierten Droge Cannabis am Straßenverkehr teilnehmen? Gibt es einen Grenzwert für die Fahruntüchtigkeit und wenn ja, wie hoch ist er? Und mit welchen Strafen müssen Betroffene bei einer Verkehrskontrolle rechnen? Diese und weitere spannende Fragen beantwortet Melanie Leier, Rechtsanwältin für Verkehrsrecht und Partneranwältin von Geblitzt.de.
Gibt es, ähnlich wie bei Alkoholfahrten auf dem Rad, Grenzwerte für die Fahruntüchtigkeit bei Cannabis?
„Der Gesetzgeber hat für das Führen eines Fahrrades unter Alkoholkonsum Promillegrenzen festgelegt. Bereits ab einer Alkoholisierung von 0,3 Promille und zusätzlichen alkoholbedingten Ausfallerscheinungen kann man als Radfahrer sanktioniert werden. In diesen Fällen gilt man als relativ fahruntüchtig. Ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille ist man absolut fahruntüchtig. Es liegt definitiv eine Straftat vor, die Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB). Solche starren Grenzwerte in Bezug auf die Fahruntüchtigkeit sind beim Fahrradfahren unter Einfluss von Cannabis derzeit nicht vorhanden. Zu beachten ist jedoch: Wer das Rad unter Cannabiseinfluss nicht mehr verkehrssicher führen kann, gilt als fahruntüchtig und macht sich strafbar. Die Feststellung der Fahruntüchtigkeit ist immer einzelfallabhängig.“
Wie hoch sind die Grenzwerte?
„Derzeit gibt es beim Führen eines Fahrrads unter Cannabiseinfluss keinen gesetzlich festgelegten Grenzwert, ab dem die Fahruntüchtigkeit zwingend angenommen werden muss. Beim Führen eines Kraftfahrzeugs hat sich jedoch in der Rechtsprechung ein Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum etabliert. Ist dieser Wert erreicht, drohen entsprechende Sanktionen für Kraftfahrzeugführer.“
Wäre bekifft Radfahren rein theoretisch legal, falls kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird?
„Grundsätzlich ist die Frage entscheidend, ob man unter Cannabiseinfluss sein Fahrrad sicher im Straßenverkehr führen kann. Kann man dies nicht, macht man sich unter Umständen strafbar. Auf eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer kommt es nicht an. Auf die Fahruntüchtigkeit kann geschlossen werden, wenn man beispielsweise Schlangenlinien fährt, bei einem unsicheren Gang, veränderter Sprache oder Ähnlichem.“
Was droht, wenn ich bekifft in eine Verkehrskontrolle gerate?
„Grundsätzlich kann das nicht verkehrssichere Führen eines Rades aufgrund von Cannabiseinfluss unter bestimmten Voraussetzungen eine Straftat darstellen. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalles an. In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c Abs. 1 Nr. 1 a Alt. 2 StGB). Dies ist der Fall, wenn man im Straßenverkehr ein Fahrrad unter Einfluss von berauschenden Mitteln führt und dadurch andere Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. Auch die Begehung einer Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB ist möglich. Eine solche Straftat liegt vor, wenn im Verkehr ein Fahrrad geführt wird, obwohl infolge des Genusses berauschender Mittel die Rad fahrende Person nicht in der Lage ist, das Fahrrad sicher zu führen. Grundsätzlich droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe. Zudem kann als Nebenstrafe ein Fahrverbot oder der Entzug der Fahrerlaubnis und eine Sperre zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis ausgeurteilt werden. Für Straftaten im Straßenverkehr ist die
Eintragung von zwei oder drei Punkten in das Flensburger Fahreignungsregister vorgesehen. Unter Umständen ist für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis nach verbüßter Fahrerlaubnissperre eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) zur Feststellung der Fahreignung erforderlich.“
Was droht mir als Radfahrer, wenn ich erwischt werde und im Besitz eines Führerscheins bin?
„In bestimmten Konstellationen muss mit einem mehrmonatigen Fahrverbot oder dem Entzug der Fahrerlaubnis und einer Sperre zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis gerechnet werden.“
Welche Probleme können im Falle eines Unfalls bei der Schadensregulierung auftreten?
„Der Drogenkonsum kann sich im Rahmen der Schadensregulierung auf die Haftung gegenüber dem Unfallgegner auswirken. Wird festgestellt, dass man unter dem Einfluss von Cannabis gefahren ist, kann sich dieser Umstand auf die Haftungsteilung niederschlagen und die eigene Haftungsquote erhöhen.“
Muss der Gesetzgeber für solche Fälle nachbessern und konkreter werden?
„Das Thema der Legalisierung von Cannabis sowie die Änderung der Gesetzeslage ist brandaktuell. Der Gesetzgeber muss durch eine entsprechende Gesetzesanpassung neue Rahmenbedingungen schaffen. Aufgrund der Besonderheiten von Cannabis, beispielsweise der Wirkung auf den Konsumenten sowie dem langsamen Abbau der Droge im menschlichen Körper, ist der Gesetzgeber in Bezug auf die gesetzlichen Neuregelungen vor eine große Aufgabe gestellt. Derzeit gilt es unter anderem zu klären, welcher THC-Grenzwert hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit als angemessen gilt. Bis der Gesetzgeber Änderungen beschlossen hat und diese in Kraft treten, gelten die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen.“
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